Verhaltenskodex der Offenen Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Schwäbisch Hall
Nähe und Distanz spielen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit eine wichtige Rolle. Hierbei geht es nicht um ein „Entweder Oder“, sondern um ein „Sowohl-als-Auch“: Die Kinder- und Jugendarbeit ist ohne Beziehungsarbeit und damit ohne angemessene Nähe undenkbar.
Ebenso wichtig ist jedoch die klare und schützende Distanz. Dieser Spagat verlangt eine sorgfältige Reflexion der eigenen Haltung und des pädagogischen Handelns. Welche körperliche und emotionale Nähe ist im Alltag der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen angebracht und wann werden Grenzen überschritten? In jedem Arbeitsfeld mit Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gibt es Situationen, welche für Konflikte und Übergriffe ausgenutzt werden könnten. Dieser Verhaltenskodex soll dazu dienen, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Schwäbisch Hall ein sicherer Ort für alle Besuchende ist.
Nähe und Distanz
- Die positive Gestaltung von Beziehung ist die Grundlage für ein vertrauensvolles Miteinander.
- Mitarbeitende sind sich bewusst, dass es Hierarchie und Machtgefälle gibt und nutzen diese nicht aus. Mitarbeitende sind sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und handeln transparent und fachlich fundiert.
- Einzelgespräche finden nur in geeigneten Räumen statt, die jederzeit von außen zugänglich sind.
- Die Gestaltung von Nähe und Distanz soll pädagogisch begründet sein, Nähe soll nicht zur unreflektierten Routine werden, sondern muss aktiv gestaltet sein.
- Bei Kontakten, Gesprächen, Begleitungen und Beratungen achten die Mitarbeitenden inhaltlich darauf, sich so authentisch zu verhalten, wie es die professionelle Beziehung zu den einzelnen Kindern und Jugendlichen erfordert. Dabei schützen wir die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen vor gezielter Beeinflussung oder Prägung durch unsere persönliche politische oder weltanschauliche Haltung.
- Die Mitarbeitenden dürfen die Angebote nicht dazu nutzen, Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen aufzubauen mit dem Ziel, diesen im Privaten zu intensivieren. Bestehende private Kontakte sind gegenüber der vorgesetzten Person offen zu legen. Intensive freundschaftliche Beziehungen mit Kindern und Jugendlichen sind zu unterlassen, z. B. private Treffen außerhalb der Arbeitszeit.
- Es ist wichtig, dass Mitarbeitende ein klares Rollenverständnis haben. Da diese jungen Menschen in einer Phase sind, in der sie ihre Geschlechteridentität und Anziehungskraft erkunden, sollten die Mitarbeitenden sich nicht aktiv in deren Flirt- und Experimentierverhalten einmischen. Sie sollten keine persönlichen Komplimente zu Körperformen oder Ähnlichem äußern, sondern eine professionelle Distanz wahren. So bleibt der Raum für die Jugendlichen, ihre Erfahrungen und Interaktionen untereinander zu gestalten.
- Es ist darauf zu achten, dass Kleidung der Mitarbeitenden nicht freizügig ist und auch mit Aufschriften etc. dem Alter der Kinder und Jugendlichen entsprechen.
Sprache
Durch Sprache und Wortwahl können Menschen zutiefst verletzt und gedemütigt werden. Unsere Sprache ist geprägt von Wertschätzung, Respekt und Unvoreingenommenheit. Verbale und nonverbale Interaktion sollen der jeweiligen Rolle und dem Auftrag entsprechen und auf die Zielgruppe und deren Bedürfnisse angepasst sein.
- Mitarbeitende bemühen sich um geschlechtergerechte Sprache.
- Mitarbeitende wählen Sprache dem Alter und dem Kontext nach angemessen.
- Mitarbeitende sprechen in angemessener Lautstärke.
- Es wird keine sexualisierte Sprache benutzt.
- Es dürfen keine verbalen Bloßstellungen erfolgen.
- Ironie und Zweideutigkeiten sind gerade für junge Menschen nicht immer zu verstehen. Besser ist eine klare und eindeutige Sprache.
- Den Mitarbeitenden ist es wichtig, wie die jungen Menschen untereinander kommunizieren. Sie beziehen aktiv Stellung gegen jegliche Form von Diskriminierung und unterbinden diese.
- Wir positionieren uns klar gegen menschenverachtende Gruppierungen und deren Lehren.
Körperkontakt und Intimsphäre
- Jeder Mensch hat das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen. Bei körperlichen Berührungen ist somit Achtsamkeit und Zurückhaltung geboten. Notwendige Berührungen, z. B. beim Anziehen eines Klettergurtes oder an der Dekupiersäge, werden kommuniziert und es wird um Erlaubnis gebeten.
- Sucht ein junger Mensch körperliche Nähe, darf die Initiative ausschließlich von ihm ausgehen und muss für die Mitarbeitenden in Ordnung sein. Dauerhafte oder aufdringliche Berührungen werden von den Mitarbeitenden abgelehnt. Körperkontakt findet ausschließlich im pädagogischen Kontext statt.
- Empathie gehört in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen dazu. Sonstige Körperkontakte sind stets mit Sensibilität zu gestalten und sollten in ihrer Dauer und ihrem Zweck klar auf Trost, Erste Hilfe sowie pädagogische Übungen, Methoden und Aktivitäten abgestimmt sein.
- Unerwünschte Berührungen und körperliche Annäherungen, insbesondere wenn sie mit dem Versprechen einer Belohnung oder der Androhung einer Strafe verknüpft sind, sind verboten.
- Berührungen im Intimbereich sind immer tabu.
- Der Körperkontakt bei der Wundbehandlung ist auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Das Entblößen von Intimzonen zur Behandlung von Wunden ist nicht gestattet. Eine Ausnahme bildet die Durchführung von lebensrettenden Sofortmaßnahmen.
- Junge Menschen werden ermutigt, „Nein“ zu sagen, ihre Bedürfnisse zu vertreten und für sich selbst einzustehen. Dieses Prinzip wird bei der Planung von Angeboten stets berücksichtigt.
Körperlicher Kontakt bei Sport und Spiel:
- Körperlicher Kontakt, auch zwischen Mitarbeitenden und Kindern/Jugendlichen, gehört bei Sport und Spiel dazu. Dabei ist es besonders wichtig, auf ein angemessenes Verhältnis von Nähe und Distanz zu achten. Vor Beginn des Spiels ist es die Aufgabe der Mitarbeitenden, darauf hinzuweisen, damit sich Kinder oder Jugendliche, die sich unwohl fühlen, zurückziehen können. Sport und Spiel stellen somit ein ausdrücklich definiertes Umfeld dar, in dem körperlicher Kontakt dazu gehören kann.
Bei Übernachtungen:
- Die Kinder und Jugendlichen werden von einer ausreichenden Anzahl Mitarbeitenden begleitet. Besteht die Gruppe aus Personen verschiedener Geschlechter, muss dies auch in der Zusammensetzung der Mitarbeitenden berücksichtigt werden.
- Bei Übernachtungen machen die Mitarbeitenden sich vor dem Betreten bemerkbar und treten erst nach einer Aufforderung ein. Eine Ausnahme bilden Gefahrensituationen sowie notwendige pädagogische Kontrollmaßnahmen.
- Sammelumkleiden werden von Mitarbeitenden und Teilnehmenden nicht gleichzeitig genutzt.
- In Schlaf-, Sanitär- oder vergleichbaren Räumen ist der alleinige Aufenthalt von Mitarbeitenden mit einzelnen Kindern und Jugendlichen zu unterlassen
- Gemeinsame Körperpflege mit Kindern und Jugendlichen ist nicht erlaubt.
Erzieherische Maßnahmen
Erzieherische Maßnahmen müssen so gestaltet sein, dass die persönlichen Grenzen von Kindern und Jugendlichen nicht überschritten werden. Es ist darauf zu achten, dass diese im direkten Bezug zum Fehlverhalten stehen, angemessen, konsequent und für den Betroffenen nachvollziehbar sind.
- Bei erzieherischen Maßnahmen ist jegliche Form von Gewalt, Nötigung, Drohung oder Freiheitsentzug verboten. Das geltende Recht muss immer beachtet werden. Einwilligungen der Kinder und Jugendlichen in solche Handlungen sind ungültig und dürfen nicht berücksichtigt werden.
- Bei Konflikten geben Mitarbeitende den jungen Menschen die Möglichkeit, diese selbst zu lösen. Bei bedrohlichem oder gewalttätigem Verhalten greifen sie ein und fordern eine Veränderung. Ansonsten bleiben sie im Hintergrund, um bei Bedarf einzugreifen. Sie hören
Soziale Netzwerke und digitale Medien
Der Umgang mit sozialen Netzwerken und digitalen Medien gehört zum Alltag. Um Medienkompetenz zu stärken, ist ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang damit unverzichtbar.
- Wir orientieren uns am Datenschutz und an den Persönlichkeitsrechten.
- Alle Mitarbeitenden achten darauf, dass Minderjährige Medien wie Handy, Kamera oder Internetforen gewaltfrei nutzen. Mitarbeitende haben die Verantwortung, entschieden gegen jede Form von Diskriminierung, Gewalt, sexistisches Verhalten und Mobbing vorzugehen.
- Die Nutzung sozialer Netzwerke (z. B. WhatsApp, Instagram, TikTok usw.) im Austausch mit den jungen Menschen ist ausschließlich während der Arbeitszeit erlaubt und begrenzt sich auf den professionellen Kontext. Dies sollte, wenn möglich, nur auf Dienstgeräten stattfinden.
- Es werden keine privaten Accounts verlinkt.
- Sollten Mitarbeitende eine Anfrage eines jungen Menschen auf dem persönlichen Account erhalten, wird Kontakt aufgenommen und wertschätzend erklärt, wieso die Anfrage nicht angenommen wird.
- Die Auswahl von Filmen, Spielen, etc. muss sorgsam getroffen werden. Diese müssen altersangemessen und pädagogisch sinnvoll sein.
- Es wird darauf geachtet, dass Kinder und Jugendliche niemals in anstößigen Posen oder generell in unvorteilhafter Weise fotografiert werden.
- Private Geräte der Mitarbeitenden wie Handys oder Kameras dürfen nicht für Foto- oder Videoaufnahmen verwendet werden. Sollte dies aus technischen Gründen unvermeidbar sein, ist dies der vorgesetzten Person mitzuteilen.
- Jeglicher Besitz oder Speicherung von pornographischen Inhalten, auch zu Beweiszwecken, ist untersagt.
Selbstreflexion und Feedback
Vertrauen und Transparenz im Team sind entscheidend, um vor Übergriffen und Missverständnissen zu schützen. Eine proaktive Feedbackkultur hilft, den Umgang mit Nähe und Distanz in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kontinuierlich zu reflektieren.
- Alle Mitarbeitenden haben das Recht und die Pflicht, an Reflexionen teilzunehmen und sich einzubringen. Strukturen sind: Teamsitzung, kollegialer Austausch, Konzeptionstage, Supervision, Personalgespräche, Anleitungsgespräche, tägliche Angebotsreflexion
- Aussagen von Betroffenen sind immer ernstzunehmen.
- Die pädagogische Haltung, Verhaltensweisen und die jeweilige Rolle werden regelmäßig reflektiert, auch im Team.
- Wir nehmen Rückmeldungen zu unserer Arbeit ernst, gehen ernsthaft darauf ein und bearbeiten diese im Team, auch wenn es um Kritik geht. Wir bieten Gelegenheiten für Feedback und fördern Veränderungen sowie Mitbestimmung in unserer Arbeit.
Geschenke
Geschenke und Bevorzugungen ersetzen keine pädagogisch sinnvolle Zuwendung. Sie sind keine geeigneten Mittel, um Kinder und Jugendliche zu selbstbewussten Menschen zu erziehen und können bei exklusiven Geschenken die emotionale Abhängigkeit fördern. Daher sollten Mitarbeitende den Umgang mit Geschenken reflektiert und transparent handhaben.
- Finanzielle Zuwendungen, Belohnungen und Geschenke an einzelne Kinder und Jugendliche, die keinen Bezug zur konkreten Aufgabe der Mitarbeitenden haben, sind nicht erlaubt.
- Mitarbeitende nehmen keine Geschenke an. Die Annahme von Geldspenden ist nur für den Förderverein Heimbacher Hof e. V. erlaubt.
Der Verhaltenskodex wird von allen Mitarbeitenden (Leitung, Fachkräften, Auszubildenden, FSJ- und Bundesfreiwilligendienstleistenden) bei Arbeitsantritt gelesen, im Einführungsgespräch thematisiert und unterschrieben. Alle Mitarbeitenden sind dazu aufgerufen, den Verhaltenskodex nicht nur zu akzeptieren, sondern ihn auch aktiv zu leben. Dies setzt voraus, dass alle sich bewusst mit ihrer eigenen Rolle auseinandersetzen (Selbstreflexion) und eine offene, transparente Diskussionskultur im Team gefördert wird.