HFM: Stoffmusterbuch der Maßschneiderei Weihbrecht übergeben
Das Hällisch-Fränkische Museum Schwäbisch Hallhat kürzlich ein besonderes Objekt aus der regionalen Alltagskultur erhalten. Roland Weihbrecht, Sohn des ehemaligen Herrenschneiders Gottlieb Weihbrecht, übergab Museumsleiterin Dinah Rottschäfer das Stoffmusterbuch seines Vaters. Es dokumentiert nicht nur textile Trends und die Verarbeitung verschiedener Stoffe, sondern spiegelt die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen zwischen 1932 und 1965 wider.
Das Buch gibt Einblicke in die wechselvolle Geschichte der Schwäbisch Haller Maßschneiderei Weihbrecht. Zahlreiche Stoffmuster – darunter Tweed, Donegal, Doppeltuch, Ratinee und Kammgarn – sind darin ebenso erhalten wie handschriftliche Notizen zu den Kunden, die zum Teil bekannte Persönlichkeiten waren. Darunter etwa Dr. Storz (Rektor des ehem. Jungengymnasium), Dr. Röder (Rektorin des ehem. Mädchengymnasiums), Fassfabrik-Fabrikant Karl Kurz oder der SPD-Politiker Erhard Eppler.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden zudem maßgeschneiderte Uniformen für hochrangige Mitglieder verschiedener NS-Organisationen wie der SA, der SS oder der Wehrmacht gefertigt. Selbst die Einkaufspreise und Längenmaße der Stoffe sind dokumentiert – allerdings chiffriert. Die Preisangaben wurden mit dem Codewort „ARISTOGUFE“ verschlüsselt, wobei jeder Buchstabe für eine Ziffer zwischen 1 und 10 steht. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in Zeiten des Materialmangels, entwickelte man kreative Lösungen: Ab 1946 wurden gebrauchte Anzüge aufgetrennt, gewendet und neu zusammengenäht.
Ergänzt wird das Buch durch einen Gehilfen-Abrechnungszettel sowie Zeichnungen, die vermutlich von einem Meisterschüler stammen. Bemerkenswert ist auch der Hinweis auf die Ausbildungsleistung des Betriebs: Bis zu 14 Lehrlinge bildete Gottlieb Weihbrecht in seiner Werkstatt gleichzeitig aus. Über 40 Jahre lang war auch der letzte Haller Herren-Schneidermeister Franz Gareis bei Weihbrecht tätig.
Der Neuzugang wird künftig in die Sammlung des Museums integriert und zeigt eindrucksvoll, wie Kleidung und Mode Zeugnis über gesellschaftliche Strukturen und politische Umbrüche ablegen können.
Weitere Informationen: Hällisch-Fränkisches Museum