Stadtbibliothek fördert Lesespaß
Erstelldatum26.07.2023
Als im Mai diesen Jahres die Ergebnisse der IGLU-Studie (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) veröffentlicht wurden, war die Bestürzung in Politik und Gesellschaft groß. Immer mehr Kinder im Grundschulalter können schlecht lesen und verstehen den Inhalt von Gelesenem nicht oder nur unzureichend. Ein Warnsignal – denn eine erfolgreiche Bildungskarriere der jungen Menschen ist damit in Gefahr.
Engagiert schon für die Kleinsten
Die Schwäbisch Haller Stadtbibliothek ist seit vielen Jahren engagiert, wenn es darum geht, bereits den Kleinsten Freude an Büchern als Grundlage für die Entwicklung künftiger Lesekompetenz zu vermitteln . Mit Dorothea Lebrecht und Elisabeth Graf sind zwei erfahrene Bibliothekarinnen damit betraut, ein vielfältiges und buntes Lese-Programm für Kinder ab einem Jahr zu gestalten. „Lesen bildet nicht nur, es lässt die Fantasie wachsen, schafft kreative Räume und Geborgenheit, ist Rückzugsort und Erlebniswelt zugleich. Geschichten haben also ganz vielfältige Funktionen“, sagt Dorothea Lebrecht. Seit 33 Jahren arbeitet sie bereits in der Stadtbibliothek und hat in dieser Zeit vielen Kindern die Liebe zu Büchern vermittelt. Schon für die Kleinsten hält die Bücherei ein Bücherangebot bereit. Elisabeth Graf ist Leiterin der Bibliothek. Sie sagt: „Kinder ab einem Alter von drei Jahren erhalten über die Kindergärten von uns einen Gutschein für ein Lesestart-Set der Stiftung Lesen, das sie dann in der Bibliothek abholen können. Auch wer keinen Gutschein hat, kann für sein dreijähriges Kind ein kostenfreies Lesestart-Set erhalten. Darin enthalten ist ein altersgerechtes Kinderbuch und Infomaterial für die Eltern, welches die Familien zum regelmäßigen Vorlesen ermutigen möchte. Wir erreichen so niedrigschwellig Familien, die sonst eventuell nicht den Weg zu uns in die Bibliothek gemacht hätten.“ Das Projekt „Lesestart-1-2-3“ setzt bereits bei Kindern im Alter von einem Jahr ein, hier erhalten die Familien beim Kinderarzt ihr erstes Lesestart-Set. Begleitend hierzu bietet die Stadtbibliothek zusammen mit der Evangelischen Familienbildung den Bücherhüpfer-Kurs für Kinder von 21 bis 30 Monaten mit Begleitperson an. So können schon für Familien mit ganz kleinen Kindern Bibliotheken als Erlebnisorte etabliert werden, um Einzug in die Biographie junger Menschen zu halten.
Bildungsort für alle
Und das ist es, worauf es ankommt – Angebote entwickeln, um auch die zu erreichen, die weit weg scheinen. Die Schwäbisch Haller Stadtbibliothek will ein Ort sein, zu dem Familien und Kinder unabhängig von ihrer finanziellen Situation oder ihrem Bildungshintergrund Zugang haben. Bibliotheksausweise sind daher für Kinder grundsätzlich kostenfrei.
Um erste Anknüpfungspunkte mit Familien zu schaffen, kooperieren sie mit zahlreichen Tageseinrichtungen für Kinder im Stadtverbund. „Wir bieten von Lesepatenvermittlung über Bibliotheksführungen bis hin zu Medienboxen Unterschiedliches an. Auch mit den Grundschulen sind wir in regem Kontakt und laden jedes Jahr aktiv alle Grundschulen in Schwäbisch Hall und den umliegenden Gemeinden zur Teilnahme an unserem Bibliothekscurriculum ein.“, so Graf. Rund 60 Prozent aller Kinder in Schwäbisch Hall sind aktive Nutzerinnen und Nutzer der Stadtbibliothek. Ein echter Erfolg, der auf der nachhaltigen Miteinbeziehung der Grundschulen und Kindertageseinrichtungen beruht. Das eigens für Grundschulen entwickelte Curriculum legt für jedes Schuljahr einen Berührungspunkt mit der Bibliothek fest. Ein Ansatz dabei ist, frühzeitig die Eltern in das Leseverhalten des Kindes mit einzubeziehen. So werden gleich zu Beginn des ersten Schuljahres Eltern-Kind-Führungen angeboten. Viele Kinder erhalten bei der Astrid-Lindgren-Führung in Klasse 2 ihren eigenen Bibliotheksausweis und leihen dann auch zum ersten Mal Bücher aus. In Klasse 4 absolvieren die Kinder einen Stationenlauf, um ihren Bibliotheksführerschein zu erhalten.
Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Mit ihrer Arbeit wollen Graf und Lebrecht einen Beitrag zur Steigerung der Lesekompetenz leisten. „Es gab schon immer Kinder, die nicht so gut gelesen haben wie andere. Wir als Stadtbibliothek versuchen, unseren Teil dazu beitragen, dass Kinder hier gefördert werden. Wir müssen die Lesekompetenz der Kinder als eine Aufgabe begreifen, für deren Bewältigung es mehr Ressourcen, mehr Ehrenamt, mehr Förderung bedarf“, so die beiden Bibliothekarinnen. Oberbürgermeister Daniel Bullinger lobt das große Engagement der Stadtbibliothek. „Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass Kinder und Jugendliche heute immer mehr Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen von Texten haben. Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Arbeitskräfte von morgen – und wenn diese Kinder schon heute Schwierigkeiten beim Lesen haben, wird sich das in ihrer folgenden Bildungs- und Berufskarriere fortsetzen. Ich bin daher dankbar, dass die Stadtbibliothek sich mit ihren vielfältigen Angeboten der Kinder in Schwäbisch Hall annimmt und da, wo sie kann, motiviert, unterstützt und das „Abenteuer Buch“ erlebbar macht.“
Lesen als Familienevent
Der Schlüssel, um Bücher als Abenteuer wahrnehmen zu können, liegt in einer frühen Sprachförderung der Kinder, wissen die beiden Expertinnen. Hier sind nicht nur Kindergärten, Grundschulen und Bibliotheken gefragt, sondern insbesondere das familiäre Umfeld der Kinder. „Das Vorlesen von Geschichten erweitert den Wortschatz des Kindes – so erlernen die Kleinen Begriffe, die nicht im Alltäglichen von den Eltern benutzt werden,“ weiß Lebrecht. Um Kindern den Zugang zu Büchern zu erleichtern, empfehlen die Bibliothekarinnen außerdem, Bücher zu Alltagsgegenständen werden zu lassen. „Mal gemeinsam in einem Kochbuch ein Rezept aussuchen, sich selbst nicht immer nur am Handy über Aktuelles informieren, sondern auch mal eine Tageszeitung zur Hand nehmen – so lebt man Kindern vor, dass Lesen etwas Alltägliches ist, dass es sich zu lernen lohnt,“ ergänzt Graf. Auch Kinder beim Lesen in die Geschichte mit einbeziehen, Rückfragen stellen, eigene Gedanken formulieren lassen, helfe Kindern, sich das selbstständige Lesen und auch Texte zu erschließen. So können frühzeitig schon die Weichen für eine spätere gute Lesekompetenz gestellt werden.
Lese-Events in der Stadtbibliothek:
Auch jenseits von Schule und Kita ist die Bibliothek aktiv, wenn es um Leseförderung geht. Die Lese-Events werden hervorragend angenommen. Drei Mal im Jahr werden Tournee-Bühnen in den Theatersaal eingeladen und spielen Stücke zu bekannten Kinderbüchern. Ob das „Neinhorn“ von Mark-Uwe Kling oder „Oma!“ schreit der Frieder“ von Gudrun Mebs – für Herbst und Winter 2023/2024 ist ein abwechslungsreiches Programm für Kinder ab vier Jahren geplant. Autorenlesungen finden in Kooperation mit Schwäbisch Haller Schulen statt. So wird ermöglicht, dass auch weniger leseaffine Kinder von einem solchen Erlebnis profitieren können.
Von Ende Juli bis Ende September steht zudem ein Sommerevent an: Beim Ferienleseclub „Heiß auf Lesen“ können Kinder und Jugendliche in der Stadtbibliothek Bücher ausleihen und in einem Logbuch festhalten, was gelesen wurde, wie das Buch gefallen hat und um was es ging. Bei den Mitarbeitenden der Stadtbibliothek können sie kurz vom Inhalt berichten und so zeigen, dass sie das Buch gelesen und verstanden haben. Pro gelesenem Buch erhalten die Kinder ein Los für eine Tombola, die bei der Abschlussparty im September ausgespielt wird. Die Teilnahme beim Ferienleseclub ist kostenlos, Anmeldungen sind in der Stadtbibliothek ab sofort möglich.