Die Stadtgeschichte im Überblick
Die ehemalige Reichsstadt Schwäbisch Hall kann auf eine lange, interessante und wechselvolle Geschichte zurückblicken. Ein erster Einblick wird hier geboten. Zur Stadtgeschichte sind darüber hinaus zahlreiche Veröffentlichungen erschienen, die in der Stadtbibliothek und im Stadtarchiv eingesehen und ausgeliehen werden können.
Von den Anfängen bis zum Hochmittelalter
Die Höhen des Kochertals waren schon in der Jungsteinzeit (5. Jahrtausend v. Chr.) besiedelt. An der Stelle der späteren Stadt Schwäbisch Hall ist für das fünfte bis erste Jahrhundert vor Christus der Betrieb einer keltischen Saline nachgewiesen. Schriftlich belegen lässt sich die Existenz einer Siedlung aber erst mit dem (gefälschten) "Öhringer Stiftungsbrief", der wahrscheinlich aus den letzten Jahren des 11. Jahrhunderts nach Christus stammt. Der Ort entstand wahrscheinlich um die Saline im Bereich des heutigen Haalplatzes, in der durch Erhitzen salzhaltigen Grundwassers Salz gewonnen wurde. Die Produktion des "Weißen Golds" war über Jahrhunderte die wirschaftliche Grundlage Schwäbisch Halls. Die Stadtentstehung fand in mehreren Etappen im 12. Jahrhundert statt: 1156 weihte Bischof Gebhard von Würzburg die neu erbaute Michaelskirche und richtete den Michaelismarkt ein. Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ließen die Stadtherren aus dem Kaiserhaus der Staufer in Hall die Heller (Haller Pfennige) prägen, die als minderwertiges Geld die älteren Münzen mit höherem Silbergehalt verdrängten und weite Verbreitung fanden. Eine Urkunde von 1204 bezeichnet Hall zum ersten Mal als Stadt, ab 1280 blieb die Reichsunmittelbarkeit, die in den Jahren zuvor gegen die benachbarten Schenken von Limpurg erkämpft worden war, unbestritten. Als Reichsstadt war Schwäbisch Hall ein selbstständiges Staatswesen innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und unterstand lediglich dem deutschen König bzw. Kaiser als nominellem Stadtoberhaupt. 1340 musste Kaiser Ludwig der Bayer in die inneren Angelegenheiten der Stadt eingreifen und die Zusammensetzung des Rates neu regeln. Der Rat war das maßgebende Gremium der städtischen Politik. Zwischen 1340 und 1512 setzte er sich aus zwölf Adligen, sechs Mittelbürgern und acht Handwerkern zusammen.
Spätmittelalter und Frühe Neuzeit
Als Folge der „Großen Zwietracht“ von 1510 bis 1512 verlor der Stadtadel seine Vormachtstellung. In der Folge wurde der Rat von einer Gruppe bürgerlicher, zunehmend akademisch gebildeter Familien dominiert, aus denen sich eine neue Oberschicht entwickelte. Im 14., 15. und 16. Jahrhundert erwarb die Stadt Schwäbisch Hall ein bedeutendes Territorium, das 1802 330 Quadratkilometer mit ca. 21.000 Einwohnern umfasste. Nicht zur Reichsstadt gehörte die Comburg, die 1079 als Benediktinerkloster gegründet worden war und 1488 in ein Ritterstift verwandelt wurde.
1523 leitete Johannes Brenz, der seit 1522 als Prediger an der Michaelskirche wirkte, den Übergang der Stadt zur Reformation ein. Nach 1548 trat Brenz in den Dienst des Herzogtums Württemberg. Schwäbisch Hall war Mitglied des Schmalkaldischen Bundes und der protestantischen Union im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges, der die Stadt schwer in Mitleidenschaft zog: zwischen 1634 und 1638 wurde jeder fünfte Einwohner ein Opfer der Pest, von Typhus und Hunger.
1680 brannte die Gelbinger Vorstadt ab, 1728 der größte Teil der Kernstadt. Die Stadt wurde unmittelbar danach in barocken Formen wiederaufgebaut, die das Stadtbild bis heute prägen (z.B. das 1735 eingeweihte Rathaus). Der Rat setzte im 18. Jahrhundert die Modernisierung der Salzgewinnung gegen die Salzsieder durch, als Folge erhöhte sich die Produktion auf ca. 100.000 Zentner pro Jahr um 1800. Schwäbisch Hall hatte zu dieser Zeit die größte Saline in Südwestdeutschland.
Das 19. Jahrhundert
Württemberg besetzte die Stadt 1802 als Entschädigung für an Frankreich abgetretene rechtsrheinische Besitzungen. Schwäbisch Hall verlor damit seine Selbständigkeit und wurde zu einer württembergischen Oberamtsstadt. Das 19. Jahrhundert war anfangs eine Phase der Stagnation und des Rückschritts. Die Industrialisierung begann nur zögernd. Deshalb verließen viele Haller ihre Heimatstadt und wanderten nach Übersee, vor allem in die USA, sowie in deutsche Ballungsräume aus. Die 1804 durch Württemberg verstaatlichte und aus der Altstadt heraus verlegte Saline verlor Ende des 19. Jahrhunderts an wirtschaftlicher Bedeutung und wurde 1924 aufgehoben. Nach dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1862 erlebte die Stadt einen Aufschwung als Bade- und Kurort. Ein Solebad auf dem Unterwöhrd bestand seit 1827, bis 1880 entstand ein aufwändiger historistischer Neubau, der am Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche auswärtige Kurgäste anzog. Auch die Bedingungen für die Ansiedlung und Entwicklung von Industriebetrieben verbesserten sich durch den Bahnanschluß. Mit der steigenden Bedeutung des Fremdenverkehrs ging auch eine Neuentdeckung der Stadtgeschichte einher, insbesondere auch des Brauchtums der Salzsieder. Der 1878 gegründete "Kleine Siedershof" und der seit 1883 bestehende "Große Siedershof" griffen die Traditionen der reichsstädtischen Sieder auf entwickelten sich zu unverzichtbaren Repräsentanten der Stadt.
Die Stadt im 20. Jahrhundert
Erst im 20. Jahrhundert wuchs Schwäbisch Hall durch die Anlage neuer Siedlungen aus dem Tal hinaus. Die Stadt entwickelte sich zu einem Behördenstandort und Dienstleistungszentrum, was sich durch die Einrichtung zahlreicher Schulen, der Gründung der Diakonissenanstalt (1886, heute Evang. Diakoniewerk) und der kriegsbedingten Ansiedlung der Bausparkasse (1944) verstärkte. Die Gründung der Freilichtspiele 1925 war ein wichtiger Schritt in der Entwicklung zu einem kulturellen Zentrum der Region. Daneben entstand eine mittelständisch geprägte Industrie mit einem Schwerpunkt auf dem Maschinenbau, deren Wurzeln teilweise noch in das 19. Jahrhundert reichen. Ein besonderer Schwerpunkt entwickelte sich im Verpackungsmaschinenbau.
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft begann 1933 die Verfolgung politischer Gegner und von Menschen jüdischen Glaubens. Während der Pogromnacht vom 9./10 November 1938 brannten Haller Nazis die Synagoge in Steinbach nieder und verwüsteten den Betsaal in der Oberen Herrngasse sowie Geschäfte und Privatwohnungen. Etwa 40 Jüdinnen und Juden aus Schwäbisch Hall wurden von den Nationalsozialisten ermordet, viele andere in die Emigration gezwungen. Im Zuge der sogenannten "Euthanasie" fielen auch 186 in der Diakonissenanstalt lebende Menschen mit Behinderungen dem NS-Terror zum Opfer. Der Kriegsvorbereitung diente der 1936 fertig gestellte Fliegerhorst der Luftwaffe in Hessental, auf dem Bomber, während des Kriegs auch Nachtjäger und der Düsenjäger Messerschmitt Me 262 stationiert waren. 1944 entstand beim Bahnhof Hessental ein nationalsozialistisches Konzentrationslager, dessen Insassen als Arbeitssklaven u.a. auf dem Fliegerhorst zum Einsatz kamen. Den Zweiten Weltkrieg und die Eroberung durch US-Truppen überstand die Stadt ohne schwerwiegende Schäden, der ehemalige Fliegerhorst blieb bis 1993 als „Dolan Barracks“ ein Standort der US-Armee.
Einen erheblichen Bevölkerungszuwachs gab es durch die Ansiedlung von Vertriebenen nach 1945 (Heimbachsiedlung). 1960 erreichte Schwäbisch Hall den Status einer „Großen Kreisstadt“. Nachdem bereits in den 1930er Jahren Steinbach, Hessental und Hagenbach (ein Ortsteil von Bibersfeld) eingemeindet worden waren, kamen im Zuge der Gemeindereform 1972 bis 1978 Tüngental, Weckrieden, Sulzdorf, Gailenkirchen,Bibersfeld, Eltershofen, Gelbingen und Heimbach (ein Ortsteil von Michelfeld )zum Stadtgebiet hinzu. Heute zählt Schwäbisch Hall knapp 40.000 Einwohner.
Weiterführende Literatur
- Andreas Maisch, Daniel Stihler: Schwäbisch Hall. Geschichte einer Stadt, Künzelsau (Swiridoff Verlag) 2006, 440 S., zahlr. Abb., ISBN 9783899290783