St. Michael
Die Michaelskirche, die mit ihrer berühmten Treppe majestätisch über dem Marktplatz thront, wurde am 10. Februar 1156, im Jahr nach der Kaiserkrönung des Staufers Friedrich Barbarossa, vom Bischof von Würzburg als romanische Basilika geweiht. Aus dieser Zeit stehen nur noch die vier untersten Geschosse des romanischen Westturms mit der Vorhalle. Von hier aus überblickt der Erzengel Michael, eine Steinskulptur aus dem späten 13. Jahrhundert, als Hüter der Gerechtigkeit das Marktgeschehen und die Stadt. Im 15. Jahrhundert wurde die dreischiffige romanische Basilika ersetzt durch eine gotische Hallenkirche mit Rundsäulen (das Langhaus 1427 bis 1456 erbaut, der hohe Chor mit seinem prächtigen spätgotischen Netzgewölbe 1495 bis 1525). 1573 wurde der Turm durch zwei achtseitige Turmgeschosse mit Kuppeldach und Glockenlaterne erhöht.
Herausragende Werke der spätgotischen Kunst im Innern der Kirche sind der große niederländische Passionsaltar im Chor (um 1460), das überlebensgroße Kruzifix des Ulmer Bildhauers Michel Erhart (signiert und datiert 1494), die filigrane Steinmetzarbeit des figurenreichen Sakramentshauses von etwa 1438 und das Heilige Grab mit seinen eindrucksvollen Trauergestalten (1455/56).
Ins Auge fallen neben weiteren Altären und Gemälden auch die zahlreichen Personendenkmale aus 500 Jahren. Sie dokumentieren Frömmigkeit, Reichtum und Kunstsinnigkeit der führenden Familien der alten Salzsiederstadt. Zu dieser "gewachsenen Bildgeschichte" gehören z. B. die Epitaphe und Grabmale der aus Holland eingewanderten Goldschmiede- und Theologenfamilie Bonhoeffer, der Vorfahren des von den Nationalsozialisten ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945).
Als Prediger an St. Michael wirkte von 1522 bis 1548 der süddeutsche Lutherschüler und Reformator Johannes Brenz (1499-1570): Seine behutsame Durchführung der Reformation verhinderte einen "Bildersturm", sodass wir ihm die Bewahrung der vielen wertvollen spätmittelalterlichen Kunstwerke in den Haller Kirchen verdanken. Als Theologe, Schriftsteller und Verfasser eines weitverbreiteten Katechismus genoss er europaweites Ansehen. Er hat ab 1553 der Reformation in Württemberg ihr theologisches und organisatorisches Profil verliehen, das für mehrere deutsche Länder vorbildlich wurde. Im März 2015 hat Schwäbisch Hall die Auszeichnung zur "Reformationsstadt Europas" erhalten.
Die mittelalterliche Beinkammer mit ihren Schädeln im Chor, die Funde aus dem Grundstein des Chores von 1495, das Ratsgestühl von 1534, das Epitaph des armlosen, mit den Füßen arbeitenden Kunstschreibers Thomas Schweicker (1540-1602), das Denkmal des Rotgerbers Romig mit seinen darauf abgebildeten 171 Nachkommen, die der 85-Jährige bei seinem Tod 1589 erlebt hatte, ein 1605 gefundener Mammutzahn, der "Hungerkasten" von 1817 - all dies und vieles andere Kuriose und Interessante machen eine Führung durch die Kirche zum Erlebnis.
Vom Marktplatz aus führt in 53 Stufen die große, zwischen 1507 und 1510/11 erbaute Treppe, (seit 1925 Bühne der sommerlichen Freilichtspiele) zur romanischen Vorhalle der Kirche, und über weitere 160 Stufen erreicht man durch den Turm die Glockenstuben (mit 10 Glocken, die älteste von 1260) und die ehemalige Türmerwohnung mit dem prächtigen Ausblick über die Altstadt.
Seit Oktober 2013 ist die Kirche St. Michael mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet - als eines von nur 33 Bauwerken in Deutschland.